Zecken- und Flohschutz - Fluch oder Segen?

eine persönliche Stellungnahme

Die wilde Diskussion über prophylaktische Behandlungen unserer Haustiere gegen Parasiten begleitet mich Tag für Tag. Ich bin ein sehr engagierter Mensch und ich kann nicht anders, als mich immer wieder auf langwierige Beratungsgespräche einzulassen, aber ich habe das Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit in Einzelgesprächen einfach nicht gegen die Verbreitung von gruseligen Geschichten über die sozialen Netzwerke ankomme. Deshalb möchte ich heute zum einen meine persönliche Meinung darstellen und zum anderen diese durch meine Erfahrungen in der täglichen Praxis untermauern. Warum ist mir dieses Thema so wichtig? Weil es wichtig für unsere Tiere  ist! Und um diese bestmöglich behandeln zu können, muss ich Sie als Frauchen/Herrchen überzeugen! Ich tue mein Bestes!

 

Unter Tierhaltern gibt es ganz subjektiv mehr Kritiker als Befürworter, wenn es um Antiparasitika geht. Vielleicht täuscht das aber auch, weil die Gegner solcher Präparate sich unheimlich lautstark zu Wort melden und ihre Meinung mit Nachdruck vertreten. Die Befürworter haben offensichtlich weniger spektakuläre Dinge zu berichten und werden dadurch nicht so stark wahrgenommen. Allen gemeinsam ist jedoch, dass die Quellen, aus denen sie ihre Informationen beziehen, meist nicht wahnsinnig hochwertig sind. Denn qualitativ hochwertige Fernsehsender (Achtung: Ironie!) oder allwissende Chat-Partner auf sozialen Netzwerken sind als Grundlage für eine Meinungsbildung meiner Meinung nach tendenziell eher ungeeignet! Nur als kurze Erinnerung: wir Tierärzte haben ein Studium hinter uns, das uns durchaus gelehrt hat, Medikamente kritisch zu beurteilen und dieses Wissen können Sie als Kunde natürlich auch nutzen!

Betrachten wir also das Thema „Ektoparasitenprophylaxe“ : Ektoparasiten sind kleine Krabbeltierchen, die sich auf der Körperoberfläche – oft gut versteckt in einem dichten Haarkleid – aufhalten. Dies sind im Wesentlichen Zecken, Flöhe und Milben. Die meisten Tierhalter, die ihren Vierbeinern regelmäßig Medikamente gegen Ektoparasiten verabreichen, haben dabei die Zecke als Gegner im Visier. Die Zecke ist für uns Menschen ein gefürchteter Zeitgenosse, weil sie Borreliose und FSME auf den Menschen überträgt. Gerade Eltern filzen ihre Kinder nach Ausflügen in Wald und Wiese sorgfältig. Das können Sie gerne auch bei Ihrem Hund versuchen! Lassen Sie sich aber gesagt sein, dass Sie damit nur einen sehr mäßigen Erfolg haben werden. Bei einem Dalmatiner haben Sie zumindest eine Chance, außerhalb der schwarzen Flecken fündig zu werden, bei langhaarigen oder dunkleren Hunderassen werden Sie jedoch scheitern. Bis Sie die Zecke finden, ist sie vollgesaugt und hatte lange genug Zeit, Krankheitserreger über ihren Speichel zu übertragen. Was für Krankheitserreger sind das? Allen voran die bekanntesten: Die Borrelien! De facto ist Borreliose für Hunde kein großes Thema: viele sind infiziert (im Blut sind Antikörper vorhanden), aber kaum ein Hund erkrankt auch daran – das wissen die wenigsten! Viel interessanter sind da die Anaplasmen und Babesien. Hinter diesen zwei Namen verstecken sich Blutparasiten, die mittlerweile bei uns – auch in meinem Praxisgebiet! – weit verbreitet sind. Mit der Klimaerwärmung haben sie ihren Weg aus dem Süden zu uns gefunden und sind bisher noch recht unbekannt. Das ist auch der Grund, warum viele Tierbesitzer nicht die Notwendigkeit sehen, ihre Tiere zu schützen – sie wissen nicht, wovor sie sie schützen müssen! Aus diesem Grund also dieser kleine Exkurs!

Ich behandle regelmäßig Patienten, die von diesen Infektionskrankheiten betroffen sind, ich behandle quasi NIE Patienten mit Nebenwirkungen gegen Antiparasitika. Nicht, dass es keine Nebenwirkungen gäbe. Natürlich gibt es diese: Spot-on-Präparate können Haarausfall, Juckreiz und andere Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen. Gibt man Tabletten, kann es zu Magen-Darm-Nebenwirkungen kommen (Durchfall und/oder Erbrechen). Die Nebenwirkungen sind aber in der Regel so schwach ausgeprägt, dass sie keiner tierärztlichen Behandlung bedürfen und sie einfach wieder verschwinden. Und trotzdem bleiben wir kritisch! Gerade bei neuen Wirkstoffen besteht immer die Möglichkeit, dass unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, die evtl. noch gar nicht im Beipackzettel erwähnt sind. Natürlich sollte man gerade bei Depotpräparaten (also Präparaten, die über einen langen Zeitraum wirken), immer aufmerksam sein. Denn: was einmal drinnen ist, kriegen wir ja nicht mehr so einfach raus! Um die Verträglichkeit zu testen, kann man also zunächst auf ein kurz wirksames Präparat zurückgreifen. Falls es wirklich zu Nebenwirkungen kommen sollte,  weiß man, welches Präparat man nicht mehr anwenden möchte und sucht nach einer Alternativen. Hier sehe ich meine Aufgabe als Tierärztin darin, die Nebenwirkungen zu dokumentieren (zum Beispiel in der Patientendatei, damit  Sie nicht das gleiche Präparat nochmal mitbekommen…) und natürlich auch an die Pharmafirmen oder unabhängige Stellen zu melden! Von uns Praktikern und auch von Ihnen als Tierbesitzer müssen diese Rückmeldungen ja kommen! Wir müssen miteinander reden und uns austauschen! Außerdem ist es mein Bestreben, Ihnen geeignete Alternativen aufzuzeigen. Man muss nicht gleich die Flinte ins Korn werfen! Sie werden jedoch von mir weder Bernsteinkettchen noch Magnetanhänger und auch kein Kokosöl verkauft bekommen. Die Wirksamkeit dieser alternativen Parasitenabwehrmethoden ist nicht wissenschaftlich belegt und ich persönlich möchte aus berufsethischen Gründen mit solchen alternativ-medizinischen Dingen nicht mein Geld verdienen. Das überlasse ich anderen, die davon wirklich überzeugt sind. Ich nenne das respektvolle Arbeitsteilung.

Lassen wir an dieser Stelle noch die Flöhe zu Wort kommen. Sie sind (gefühlt) schon immer da, werden uns auch immer begleiten -  wahrscheinlich überleben uns diese kleinen hartnäckigen Biester auch noch um ein paar Jahrtausende…. Jeder, der das Vergnügen in den eigenen vier Wänden hatte, legt keinen Wert auf eine Wiederholung. Trotzdem schlage ich mich mit den Mistdingern in meiner Praxis nach wie vor herum und muss so oft darüber aufklären, dass ich mir ein Besitzer-Handout zum Thema Flohbefall mit den wichtigsten Fakten zusammengestellt habe. Hier ein kurzer Blick hinter die Kulissen: wir müssen ein wirklich hohes Maß an Hygiene walten lassen, damit bei uns kein Floh überlebt. In der Praxis geht das. Hier gibt es keine „Kuschelecken“ für Flöhe und wir können nach Bedarf problemlos Umgebungsbehandlungen durchführen. In einer privaten Wohnung wäre das unmöglich…. Hier richten sich die Flöhe schon gemütlich ein bevor sie überhaupt entdeckt werden. Unter Umständen ein echtes hygienisches Problem, denn auch sie können wiederum Endoparasiten wie Bandwürmer übertragen. Eine Prophylaxe wäre verhältnismäßig einfach.

Das fatale an dieser großen Diskussion ist, dass negative Berichte wie ein Lauffeuer die Runde machen, die positiven Seiten aber überhaupt keine Bühne finden! Aussagen wie „Das Spot-on XY  ist schädlich für die Leber“ sind seit Jahren etabliert. Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich noch NIE einen Patienten hatte, der einen Leberschaden hatte, bei dem man auch nur ansatzweise einen Zusammenhang mit einer Anwendung irgendeines Antiparasitikums herstellen konnte! Nicht EINEN! Neuerdings machen spektakuläre Geschichten um ein Antiparasitikum in Tablettenform die Runde. Auch hier dominiert eine sehr unseriöse Berichterstattung und Informationsverbreitung. Es ist nicht immer so einfach, einen wirklichen wissenschaftlichen Zusammenhang herzustellen, wie das viele Menschen gerne hätten. Ganz klar, der Hund hat eine Tablette geschluckt und danach ist er krank geworden. Kausale Zusammenhänge sind nicht immer so klar! Und auch die Aussage „Aber das ist doch ein Nervengift!“ ist ein wenig unüberlegt. Wir reden hier schließlich über Gifte, die gegen Insekten wirken sollen – nicht gegen Säugetiere. Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie viel Kontakt Sie zu Insektiziden haben, wenn Sie neben einem herkömmlich bewirtschafteten Feld wohnen, wie viel davon Sie mit Nicht-Bio-Gemüse oral aufnehmen. Haben Sie ein Mückenspray im Schrank stehen und  ist Ihnen klar, dass viele Moskitonetze, die über unseren Betten hängen, Permethrin-behandelt sind? Wie schon gesagt: lassen Sie uns kritisch bleiben! Wir wollen auf keinen Fall verschwenderisch und unverhältnismäßig mit Antiparasitika umgehen. Wir möchten sie so viel wie nötig und so schonend wie möglich einsetzen.

 

Der Kern dieser Zeilen soll sein: Woche für Woche muss ich mich mit massiven Flohbefällen, Zecken-übertragbaren Krankheiten oder Ohrmilben herumschlagen. Rückmeldungen über Nebenwirkungen von Antiparasitika sind hingegen sehr spärlich und behandeln muss ich diese Patienten in der Regel gar nicht, weil die Nebenwirkungen von alleine weggehen. Der Druck, gegen Ektoparasiten vorzubeugen wird mit wachsendem Infektionsrisiko einfach größer und das wird in den nächsten Jahren so weitergehen. Tierhalter, Tierärzte und Pharmafirmen sollten im ständigen Gespräch bleiben und versuchen, individuelle Lösungen für jeden Verbraucher und jeden Patienten zu finden. Panikmache im Internet ist hingegen wenig  hilfreich! Ich freue mich jedenfalls über Feedbacks meiner Kunden und versuche, Ihnen mit meinem Blog auch ab und an mal einen Einblick zu geben, was sich hinter den Kulissen unserer Praxis abspielt!

 

Danke für Ihr Vertrauen!

 

Dr. Felicia Spreyer

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