In der Tiermedizin gibt es ein „Kollateral“-Problem, das manchmal das eigentliche medizinische Problem bei weitem übersteigt: Geld! Die Kosten für die medizinische Versorgung unserer Vierbeiner sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Ich selbst (wie auch meine Kollegen*innen) habe keine kaufmännische Ausbildung während meines Studium genossen und musste mich im Zuge der Praxisgründung mühsam mit dem Thema Wirtschaftlichkeit auseinandersetzen. Im Gespräch mit Ihnen, den Tierbesitzern, kann ich vor allem eines tun, um dieses Thema so angenehm wie möglich zu gestalten: ehrlich sein!
- Ich bemühe mich im Falle einer Erkrankung Ihres tierischen Lieblings, Ihnen verschiedene Optionen und Wege darzulegen, so dass wir gemeinsam eine Risiko-Kosten-Abwägung machen können. Das lässt Ihnen die Wahl, welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten wir innerhalb Ihres Budgets nutzen können.
- Ich versuche, Kostenvoranschläge von vornherein realistisch zu gestalten und Ihnen damit ein böses Erwachen nach einem größeren Eingriff zu ersparen.
- Ich erstelle Rechnungen nach der tierärztlichen Gebührenordnung, die für Sie transparent sind und die entstandene Kosten nachvollziehbar machen.
Was ich nicht kann, ist für die gleiche Sache unterschiedliche Preise zu berechnen. Weder nette Bitten noch selbstbewusst und lautstark vorgebrachte Beschwerden wie „Bei Ihrem Kollegen habe ich vor fünf Jahren aber nur die Hälfte bezahlt!“ werden zu einer Preissenkung führen. Das wäre unmoralisch und unfair den Patientenbesitzern gegenüber, die anständig und ohne Murren ihre Rechnung bezahlen.
Eine Rechnung wird also nach den Vorgaben der Gebührenordnung erstellt, variiert auch bei ähnlichen Leistungen je nach Arbeits- und Zeitaufwand und ist nicht verhandelbar.
Was ist aber, wenn Sie Leistungen in einer der umliegenden Kliniken in Anspruch nehmen müssen? Die Kosten für Operationen, vor allem aber die Kosten für Behandlungen im Notdienst sind in den letzten Jahren um ein Vielfaches gestiegen. Oft höre ich Klagen darüber. Deshalb versuche ich, Ihnen die Gründe für diese Entwicklung darzulegen. Wie bei fast allem im Leben handelt es sich auch hier um ein multifaktorielles Geschehen – ein weites Feld! Welche Faktoren haben also zu diesem rasanten Kostenanstieg geführt?
- Die Grundlage hat zunächst die Tierärzteschaft selbst geschaffen. Wie ich bereits erwähnte, findet im Studium der Tiermedizin keine Schulung für betriebswirtschaftliche Belange statt. Was hat das für Folgen? Ein Tierarzt macht sich selbstständig und steht da mit einem Kredit für Inventar und Ausstattung in der einen und einer Gebührenordnung für Tierärzte in der anderen Hand. Wer sagt ihm, wie viel er für welche Tätigkeit dem Patientenbesitzer in Rechnung stellen muss, damit er unterm Strich etwas dabei verdient? Richtig – keiner! Also wird grob geschätzt, was als Preis für einen bestimmten Eingriff noch vertretbar ist. Dann steht ein in Tränen aufgelöster Tierbesitzer auf der anderen Seite des Behandlungstisches und klagt über einen leeren Geldbeutel. Oder ein empörter Tierhalter, der betont, dass der gleiche Eingriff beim Kollegen im Nachbarort aber viel weniger kostet! Um nicht hartherzig zu wirken und aus Angst vor Kundenverlust, geht der Tierarzt mit dem Preis runter. Wozu führt das? Zu Dumpingpreisen! Tierarztpraxen sind aber keine Großkonzerne, die den Markt mit Billigprodukten aus China überhäufen, sondern inhabergeführte Kleinunternehmen, die zum einen die Verantwortung für Patientenleben tragen und zum anderen lokale Ausbildungsplätze und Festanstellungen für Ihre Mitarbeiter bieten sollten. Wie soll das ohne Wirtschaftlichkeit funktionieren?Im europäischen Vergleich war Deutschland seit vielen Jahren das Billigland der Tiermedizin. Die Preise lagen deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Klar gewöhnt man sich daran! Die Anpassung auf ein realistisches Niveau ist deshalb umso schmerzhafter....
- In den letzten Jahren hat sich in Klinikbetrieben einiges geändert. Tierärzte, die tage- und nächtelange Notdienste geschmissen haben, dürfen sich nun in 8-Stunden-Schichten gegenseitig abwechseln. Dürfen? Nein, sie müssen auch. Natürlich ist das aus Arbeitnehmersicht ein bedeutender Fortschritt und nimmt dem Klinikjob aus Sicht eines jungen Tierarztes, der auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance Wert legt, etwas den Schrecken. Was bedeutet das für den Arbeitgeber? Er muss deutlich mehr Tierärzte beschäftigen, um einen durchgehenden Notdienst zu gewährleisten (werfen Sie mal einen Blick auf die Websites der Kliniken, die Teams werden immer größer!). Um das zu finanzieren, muss er für die erbrachten Leistungen im Notdienst deutlich mehr berechnen als noch vor ein paar Jahren. Um dieser ganzen Entwicklung gerecht zu werden und eine einheitliche Regelung für alle Tierärzte zu finden, wurde ein Gesetz (die GOT-Notdienstnovelle) auf Kurs gebracht, das ab Januar 2020 vorschreibt, dass für Besuche außerhalb der Sprechzeiten pauschal 50 Euro Notdienstgebühr und sämtliche Leistungen mit dem mindestens 2-fachen Satz berechnet werden müssen. Denn auch das bedeutet Fairness (für Tierärzte, die Notdienstbereitschaft anbieten) und Transparenz (für Sie als Tierhalter). Und ist es nicht auch ein beruhigendes Gefühl, dass Ihr Tier von einem Tierarzt operiert wird, der nicht seit 48 Stunden schlaflos im Dauereinsatz ist?
- Eine weitere Veränderung in Deutschlands Tierkliniklandschaft ist der Vormarsch von Aktiengesellschaften und Großinvestoren. Sie haben in unserem Einzugsgebiet in den letzten Jahren alle Kliniken aufgekauft und somit einen ernstzunehmenden Einfluss auf den tiermedizinischen Markt. Wie kam es zu dieser Entwicklung und warum? Ein weites Feld... Kurz zusammengefasst sind die Hauptgründe vermutlich der stetig wachsende Markt im Bereich Haustiere und die unter 1. beschriebene betriebswirtschaftliche Nachlässigkeit der praktizierenden Tierärzte. Mit dem entsprechenden Großkapital ist es ein leichtes, Betriebe zu kaufen und durch eine Überholung der Wirtschaftlichkeit den Umsatz in kürzester Zeit deutlich zu steigern! Gehören alle Kliniken zusammen und sind diese alle ausgelastet, gibt es keinen Grund mehr, über Preise in Konkurrenz zu treten und sich gegenseitig zu unterbieten, um für Kunden attraktiv zu sein!
Es lässt sich also nicht ändern, dass die medizinische Versorgung unserer Haustiere teurer geworden ist. Auch die Zukunft wird für Tierhalter keine Erleichterung bringen. Dementsprechend ist das Thema Tierkrankenversicherung präsenter geworden. Immer wieder werde ich um meinen Rat in dieser Angelegenheit gebeten. Ganz klar ist, dass sich eine Versicherung lohnt, wenn man zu jedem Zeitpunkt sein Tier optimal medizinisch versorgen möchte und nicht ein paar Tausend Euro auf der hohen Kante hat, die man zu diesem Zweck einsetzen kann. Ich bin kein Versicherungsmakler, verdiene nicht an der Vermittlung von Versicherungen und empfehle keine bestimmte Versicherungsgesellschaft. Aber auch für mich ist es leichter, alle Möglichkeiten der Patientenversorgung auszuschöpfen, wenn ich weiß, dass Ihre Versicherung die Kosten dafür übernimmt.
Der große Haken an allen Versicherung ist jedoch ganz klar: sie müssen abgeschlossen werden, wenn Ihr Tier noch jung und gesund ist! Viele Tierbesitzer versuchen, „noch schnell“ eine Versicherung abzuschließen, wenn eine Krankheit des Tieres bekannt wird. Das funktioniert so nicht! Zum einen müssen Sie ehrliche Angaben zur Krankheitsgeschichte Ihres Vierbeiners bei Versicherungsabschluss machen (alles andere ist Versicherungsbetrug) und entbinden in der Regel mit Ihrer Unterschrift den behandelnden Tierarzt von seiner Schweigepflicht! Bedenken Sie, dass im Zeitalter der Digitalisierung alle Daten zu ihrem Tier dokumentiert und jederzeit einsehbar sind. Röntgenbilder, Laborbefunde etc. sind immer fest datiert. Gehen Sie das Thema Versicherung also frühzeitig, ehrlich und entspannt an.
Es gibt verschiedene Versicherungsoptionen:
OP-Versicherungen
- Diese sind in der Regel sehr lohnenswert, da vor allem Operationen im Notdienst sehr hohe Kosten nach sich ziehen. Wichtig ist hierbei, dass nicht zu viele Operationsindikationen ausgeschlossen sind. Beispielsweise sollten Zahnbehandlungen in Narkose inbegriffen sein - wenn möglich auch Zahnreinigungen. Diese sind viel häufiger nötig als die meisten Besitzer wissen und durch ein ständiges Aufschieben (oft auch aus Kostengründen) kommt die Zahnreinigung oft zu spät und Zähne haben irreparable Schäden erlitten. Die Kosten für Zahnsanierungen werden meist unterschätzt! Ein weiterer Punkt sind genetisch bedingte Erkrankungen. Hierzu werden oft Gelenkserkrankungen gezählt, z.B. die Patellaluxation, Ellbogengelenksdysplasie oder Kreuzbandrisse. Diese Krankheiten gehören in chirurgisch orientierten Kliniken zum absoluten Tagesprogramm und sollten durch Ihre OP-Versicherung abgedeckt sein! Lesen Sie also gründlich im Kleingedruckten und nutzen Sie evtl. Ihren nächsten Besuch bei uns, um Fragen loszuwerden oder richten Sie sich direkt an den Versicherer.
Tierkrankenversicherungen
- Diese Versicherungen sind vor allem im Falle internistischer Erkrankungen wichtig und helfen Ihnen, die Kosten bei z.B. einer chronischen Medikation oder häufigen Blutuntersuchungen zu decken. Vor allem Diagnostik (Blutuntersuchungen, Ultraschalluntersuchungen, Röntgenbilder etc.) geht doch mit erheblichen Kosten einher. Häufig wird ein bestimmter Prozentsatz der über das Jahr anfallenden Tierarztkosten übernommen. Dazu zählen in den meisten Fällen auch Kosten für die Gesundheitsvorsorge. Diese liegt mir persönlich sehr am Herzen. Das frühzeitige Erkennen von Krankheiten verbessert die Prognose für unsere Patienten erheblich! Und ist es nicht eine Erleichterung, wenn man weiß, dass die Kosten für eine Blutuntersuchung als Gesundheitscheck von der Versicherung übernommen werden? Die medizinische Versicherung Ihres Vierbeiners ist also durchaus eine Überlegung wert....
Sie sehen wie vielschichtig das Thema Kostengestaltung ist. So viele Einflussfaktoren, so viele Sichtweisen... Dieser Artikel hätte auch 10 Seiten füllen können! Das Wesentliche habe ich für Sie zusammengefasst und hoffe, dass Ihnen die verschiedenen Fakten und meine Eindrücke einen neuen Blickwinkel verschaffen konnten.
Danke für Ihre Offenheit und Ihr Interesse!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Start in ein spannendes und glückliches Jahr 2020!
Dr. Felicia Spreyer
update September 2021
Stiftung Warentest hat Hundekrankenversicherungen getestet. Wir haben den Artikel für Sie gekauft und legen ihn im Wartezimmer zur Einsicht bereit. Es ist eine sehr umfangreiche Untersuchung, die aber einen guten Überblick verschafft. Zusätzlich bieten wir eine Checkliste des bpt (Bundesverband praktizierender Tierärzte), die bei der Wahl der geeigneten Versicherung helfen soll.