Dieser Artikel ist keine Anleitung, wie Du Igelbabys über den Winter bringt. Er gibt keine praktischen Tipps. Ich möchte Dich an den Gedanken teilhaben lassen, die mich immer wieder in der Igelhilfe begleiten:
Igelschutz ist Wildtierschutz. Da stellt sich grundsätzlich die Frage. „Warum brauchen die Igel Hilfe?“ Die Antwort ist einfach und offensichtlich: weil es ihnen entweder an Lebensraum fehlt oder ihre Umwelt verdammt gefährlich geworden ist. Erst, wenn die doch sehr selbstständigen Vierbeiner Schwierigkeiten bekommen, landen sie bei uns in menschlicher Obhut.
Bei der medizinischen Wildtierhilfe handelt es sich immer um Einzeltierhilfe. Wir müssen einen enormen Aufwand betreiben, um unseren Igel-Patienten wieder auf die Beine zu verhelfen, weil ihr Zustand bei Einlieferung in der Regel sehr schlecht ist. Viele Kämpfe verlieren wir. Die Sterberate ist hoch – unvorstellbar viel höher als in der „normalen“ Kleintiermedizin. Diese ständige Erfolgslosigkeit ist etwas, das man psychisch verkraften können muss. Es gibt Tage, da funktioniert das besser und es gibt schlechte Tage, da fragt man sich, ob diese Art der Hilfe überhaupt Sinn macht. Monatelange Therapien mit dem Ergebnis, einem einzigen Igel in die Freiheit verholfen zu haben und am gleichen Tag 2 überfahrene Igel an Straßenrand zu sehen – macht unsere Arbeit wirklich Sinn?
Finder von hilfebedürftigen Igeln, haben oft ein gutes Gefühl - das Gefühl „geholfen zu haben“. Diese Emotion motiviert viele Menschen, auch Igel in die Praxis zu bringen, die eigentlich keine Hilfe benötigen. Dann beginnt jedoch erst die eigentliche Arbeit! Was die meisten Menschen nicht wissen, ist, dass unser Gesetzgeber sie bei der Entnahme der Igel aus der Natur zur Kostenübernahme der Therapie verpflichtet. Eigentlich müssten also alle Finder die korrekt nach Gebührenordnung erstellten Rechnungen beim Tierarzt bezahlen. Ich möchte nicht wissen, welcher Shitstorm uns überfluten würden, wenn wir auch nur versuchen würden, das umzusetzen! Was denkt sich der Gesetzgeber bei solch einer unrealistischen Regelung? Sie ist keinerlei Hilfe bei der Versorgung hilfebedürftiger Igel. Was bleibt, ist einzig und allein das Ehrenamt und das Decken von Materialkosten durch Spenden.
Nächste Frage: Was ist effektiver als die Einzeltierhilfe? Lebensraum schaffen und schützen! Welcher Lebensraum ist interessant für den Igel? Unsere Gärten. Jeder einzelne kann durch eine naturnahe Gartengestaltung richtig viel bewirken. Aber was sehen wir? Einbetonierte dichte Metallzäune, englischen Rasen mit Mährobotern, Unkrautflies, Kiesgärten, kunstvoll beschnittene exotische Bäumchen in sterilen Vorgärten. „Der Garten soll nicht so viel Arbeit machen…“ Diesen Satz höre ich immer und immer wieder. „Immer ordentlich“ - das ist das Aushängeschild der Deutschen und der Untergang der deutschen Igel. Der Effekt für die Igelpopulation wäre durch eine naturnahe Gartengestaltung so viel größer als durch die Einzeltierhilfe, die wir hier leisten! Aber das Ergebnis ist nicht so offensichtlich und unmittelbar sichtbar. Das scheint die Motivation für Privatgärtner zu dämpfen.
Der Igel ist ein Sympathieträger. Kein Kindergarten kommt ohne ein „Igelgruppe“ aus. Es werden Laternen in Igelform gebastelt, kleine stachelige Kuchen gebacken und Kinderbücher illustriert. Wenn ein Karton mit Igelpatient zu uns gebracht wird, sind oft begeisterte Kinder dabei, die mitfiebern. In der 2. Klasse ist der Igel Teil des Lehrplans! Und trotzdem findet er immer weniger den Weg in unsere Gärten und beeinflusst nicht unsere Gartengestaltung. Überlassen wir diese Aufgabe nicht unserem Nachbarn oder dem Nachbarn vom Nachbarn. Wir brauchen Vorbilder! Gärten, die leben, die wuchern! Wir brauchen Mut zur Unordnung und zur Beschwerde von Nachbarn, die sich über invasives Unkraut ärgern.
Wir brauchen DICH! Und Dich, und Dich auch…..
Wenn Du Dich inhaltlich informieren möchtest, gibt es zur Gartengestaltung viele Ideen und Tipps vom BUND Naturschutz.
Zu konkreten Igelfragen steht die fantastische Website von Proigel e.V. zur Verfügung!
Viel Spaß beim Stöbern!